Ludwig Erhard
Ausbildung und Beruf
Während seiner Schulzeit war Ludwig Erhard Mitglied einer Schülerverbindung (FAV Alemannia Fürth; heute im PSC). Nach Abschluss der Mittleren Reife im Jahr 1913 absolvierte Erhard bis 1916 eine kaufmännische Lehre in Nürnberg. Danach nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und wurde 1918 bei Ypern schwer verwundet. Von 1919 bis 1922 studierte er dann an der Handelshochschule Nürnberg und erwarb den Abschluss als Diplom-Kaufmann. Anschließend absolvierte er ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Hier erfolgte auch 1925 seine Promotion bei Franz Oppenheimer über “Wesen und Inhalt der Werteinheit” zum Dr. rer. pol. Von 1925 bis 1928 arbeitete er dann als Geschäftsführer des elterlichen Betriebes. Von 1928 bis 1942 war er als wissenschaftlicher Assistent, später als stellvertretender Leiter beim Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware in Nürnberg tätig. In den frühen 30er Jahren scheiterte ein Versuch der Habilitation, möglicherweise, weil er sich weigerte, einer nationalsozialistischen Organisation beizutreten. Von 1942 bis 1945 leitete er dann das von ihm gegründete Institut für Industrieforschung. 1944 verfasste er eine Denkschrift (Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung), in der er unverblümt von einer Niederlage Deutschlands ausging und Überlegungen zum Neuaufbau der Wirtschaft nach dem Krieg anstellte. Beeindruckt von dieser Schrift war u.a. der Widerstandskämpfer Carl Friedrich Goerdeler. Nur zufällig entging diese Verbindung den Nazis und damit Erhard wahrscheinlich dem Todesurteil. (Thedor Eschenburg schreibt in seinen Memoiren, dass Erhard sehr leichtsinnig mit der Denkschrift umgegangen war.)
1947 wurde er zum Honorarprofessor an der Universität München und 1950 auch an der Universität Bonn berufen.
Familie
Ludwig Erhard war seit 1923 mit Luise Schuster verheiratet. Aus ihrer Ehe ging eine Tochter hervor.
Partei
Erhard galt vor 1949 als Mann der Liberalen, trat dann aber für die CDU auf, weil er sich so eine breitere Basis für seine Politik versprach. Als Wirtschaftsminister war er parteilos und trat der CDU erst 1963 bei (tatsächlich sogar erst am 23. März 1966, als er CDU-Vorsitzender wurde; Der Termin wurde jedoch um drei Jahre zurückdatiert (vergleiche [1]).) Von 1966 bis 1967 war er Bundesvorsitzender, ab 1967 Ehrenvorsitzender der CDU.
Abgeordneter
Von 1949 bis zu seinem Tode war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1949 bis 1969 war er direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Ulm. 1972 und 1976 war er über die Landesliste Baden-Württemberg in den Deutschen Bundestag eingezogen. Sowohl 1972 als auch 1976 oblag ihm als Alterspräsident die Eröffnung des Deutschen Bundestages.
Erhard gehörte neben Hermann Götz, Gerhard Schröder (beide CDU), Richard Jaeger, Franz-Josef Strauß, Richard Stücklen (alle CSU), Erich Mende (FDP, später CDU), Erwin Lange, R. Martin Schmidt und Herbert Wehner (alle SPD) zu den 10 Abgeordneten, die die ersten 25 Jahre seit der Bundestagswahl 1949 ununterbrochen dem Parlament angehörten.
Politische Tätigkeit ab 1945
Von 1945 bis 1946 war er in der von Ministerpräsident Wilhelm Hoegner geführten Landesregierung Bayerischer Staatsminister für Handel und Gewerbe. In diesem Posten war er allerdings kaum erfolgreich.
1947 leitete er die Expertenkommission Sonderstelle Geld und Kredit bei der Verwaltung der Finanzen der britisch-amerikanischen Bizone und war als solcher mit der Vorbereitung der Währungsreform betraut.
Am 2. März 1948 wurde er auf Vorschlag der FDP zum Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes gewählt und war damit für die Wirtschaftspolitik in den westlichen Besatzungszonen verantwortlich. Erhard wurde erst fünf Tage vor dem geplanten Termin von den West-Alliierten über die bevorstehende Währungsreform (am 20. Juni 1948) informiert. Einen Tag vor der Währungsreform ließ Erhard über Rundfunk verkünden, Zwangsbewirtschaftung und Preisbindungen seien aufgehoben. Am nächsten Tag wurde er zu dem amerikanischen Militär-Gouverneur Lucius D. Clay zitiert, der ihm erbost vorwarf, er habe eigenmächtig Vorschriften des alliierten Besatzungsrechts verändert. Erhards Antwort: “Ich habe sie nicht verändert, ich habe sie abgeschafft!”. Erhards eigenmächtige Entscheidung, die dann mit dem Leitsätzegesetz verwirklicht wurde, gilt heute als wesentliche Voraussetzung für das danach einsetzende “Wirtschaftswunder”.
Am 20. September 1949 wurde er als Bundesminister für Wirtschaft in die von Bundeskanzler Konrad Adenauer geführte Bundesregierung berufen. Nach der Bundestagswahl 1957 wurde er zusätzlich am 29. Oktober 1957 zum Stellvertreter des Bundeskanzlers ernannt.
Ludwig Erhard war Mitbegründer des Konzepts der sozialen Marktwirtschaft und gilt als Vertreter des Ordoliberalismus. Aus dieser Schule hatten besonders Wilhelm Röpke und Alfred Müller-Armack, den er zum Staatsminister im Wirtschaftsministerium ernannte, direkten Einfluß auf die Wirtschaftspolitik im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik. Den Begriff “Wirtschaftswunder” für den damaligen Aufschwung lehnte Erhard (“Es gibt keine Wunder”) immer ab; er bestand darauf, dass das Wachstum Ergebnis einer erfolgreichen marktwirtschaftlichen Politik war.
Als überzeugter Marktwirtschaftler hatte Erhard harte Kämpfe mit dem Sozialpolitiker Adenauer auszufechten, die 1957 in der Auseinandersetzung um die von Adenauer letztlich durchgesetzte Rentenreform gipfelten. Das seitdem bestehende Umlage-System (so genannter Generationenvertrag) wurde von Erhard und der FDP als nicht zukunftsfähig abgelehnt. Adenauer setzte sich jedoch über deren Bedenken hinweg. Angesichts der heutigen vom demographischen Umbruch geprägten Situation sehen viele Ökonomen und Politiker Erhards Skepsis bestätigt.
Von Beginn seiner Ministertätigkeit an sah sich Erhard harter Kritik seitens seines Kanzlers ausgesetzt. Die Hauptvorwürfe Adenauers waren häufige Abwesenheit, mangelnde Kontrolle seines Ministeriums und unbedachte Reden. Erhard wehrte sich, indem er eine wirkungsvolle Propaganda für sich machte. Seine Anhänger wurden rein wortspielerisch ‘Brigade Erhard’ genannt, nach einer Marineeinheit aus dem Kapp-Putsch von 1920. Um eine gefestigte Gruppe handelte es sich nicht, manche unterstützten Erhard nicht zuletzt deshalb, weil sie Adenauer ablösen und nach einem Übergangskanzler Erhard selbst Kanzler werden wollten.
1957 konnte Adenauer nicht mehr an ihm vorbei, und mußte ihn zum Vizekanzler ernennen. Dreimal – 1959 bei der Präsidentschaftskrise, 1961 nach der Bundestagswahl und 1962 bei der Spiegel-Affäre – hatte Erhard die Chance, seinen Führungsanspruch geltend zu machen. Bei all diesen Gelegenheiten versagte er, sehr zur Enttäuschung seiner Anhänger.
Am 16. Oktober 1963 wurde Erhard als Nachfolger Adenauers zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Erhard war seit 1957 Vizekanzler und wegen seiner Wirksamkeit als Wahlkämpfer Favorit der CDU (er selbst war kein Mitglied dieser Partei). Viele, Bundeskanzler Adenauer an der Spitze, hielten ihn als Kanzler für unfähig. Bei vielen galt er von Beginn an als Übergangskanzler, dessen Hauptaufgabe es war, die Wahl 1965 zu gewinnen.
Seine Zeit als Bundeskanzler gilt als glücklos. Die eigene Partei warf ihm unter anderem die Abkühlung der deutsch-französischen Beziehungen vor; neben Außenminister Gerhard Schröder galt er als überzeugter “Atlantiker”, der die Beziehungen zu den USA für wichtiger hielt als die zu Frankreich. Zudem intrigierte Adenauer gegen ihn: er hielt Erhard als Kanzler für unfähig und hatte bereits erfolglos zu verhindern versucht, dass er überhaupt sein Nachfolger wurde. 1965 fuhr Erhard zwar den zweithöchsten Wahlsieg in der Geschichte der CDU ein. Doch schon bei der Regierungsbildung konnte er seine Ansichten in der CDU/CSU nicht durchsetzen. In den Folgemonaten verfiel seine Autorität zusehends. Um sich zu behaupten und seinen Konkurrenten Rainer Barzel zu bremsen, ließ er sich zum Vorsitzendenden der CDU wählen. Wegen einer Finanzkrise, des Rücktritts der FDP-Minister und mangelnder Unterstützung aus den eigenen Reihen trat Erhard am 1. Dezember 1966 von seinem Amt zurück.
Ehrungen
Am 11. Mai 1977 fand aus Anlass des Todes von Ludwig Erhard ein Staatsakt im Plenarsaal des Deutschen Bundestages statt.
Werke:
- Wesen und Inhalt der Werteinheit, Dissertation, 1925
- Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung, Denkschrift, 1944; gedruckt bei Propyläen, 1977, ISBN 3-550-07356-9
- Deutschlands Rückkehr zum Weltmarkt, 1953
- Wohlstand für Alle, 1957
- Deutsche Wirtschaftspolitik, 1962
- Grenzen der Demokratie?, Düsseldorf, 1973
Zitate:
- "Was sind das für Reformen, die uns Wände voll neuer Gesetze, Novellen und Durchführungsverordnungen bringen? Liberale Reformen sind es jedenfalls nicht. Es sind Reformen, die in immer ausgeklügelterer Form Bürger in neue Abhängigkeiten von staatlichen Organen bringen, wenn nicht sogar zwingen." Ludwig Erhard 1974
- "Das sind doch ganz kleine Pinscher." Ludwig Erhard im Wahlkampf 1965 gegen intellektuelle Kritiker.
- "Ich hätte Adenauer nie gestürzt. Von mir aus hätte er Kanzler bleiben können bis in alle Ewigkeit." Ludwig Erhard in einem Interview 1972
- "Die Menschen haben es zwar zuwege gebracht, das Atom zu spalten, aber nimmermehr wird es ihnen gelingen, jenes eherne Gesetz aufzusprengen, das uns mit unseren Mitteln haushalten lässt, das uns verbietet, mehr zu verbrauchen, als wir erzeugen können - oder erzeugen wollen." 1964
Werke:
- Alfred C. Mierzejewski: Ludwig Erhard, Siedler 2005, ISBN 3886808238
- Andreas Metz: Die ungleichen Gründerväter, UVK, ISBN 3-87940-617-0
- Klaus Günther; Der Kanzlerwechsel in der Bundesrepublik. Adenauer - Erhard - Kiesinger. Eine Analyse zum Problem der intraparteilichen De-Nominierung des Kanzlers und der Nominierung eines Kanzlerkandidaten am Beispiel des Streits um Adenauers und Erhards Nachfolge, Hannover, 1970.
- Heinrich Oberreuther; Führungsschwäche in der Kanzlerdemokratie: Ludwig Erhard, in: Manfred Mols, Hans-Otto Mühleisen, Theo Stammen, Bernhard Vogel (Hrsg.): Normative und institutionelle Ordnungsprobleme des modernen Staates. Festschrift zum 65. Geburtstag von Manfred Hättich am 12. Oktober 1990, Paderborn, 1990, Seiten 214 - 234.
(Quelle: Wikipedia)